Preissteigerungen bei Baustoffen - Rechtliche Grundlagen und Handlungsempfehlungen

Köln, 25. Januar 2022

Corona hat und uns nicht nur die verschiedenen G-Kürzel und das Boostern gebracht, sondern auch beschleunigte und schwer vorhersehbare Preissteigerungen insbesondere bei Baustoffen. Es lohnt sich deshalb, sich über Erforderlichkeit und Möglichkeiten Gedanken zu machen, aus Preissteigerungen resultierende Nachteile zu vermeiden.

Der Auftraggeber oder Besteller befindet sich im Bauvertragsrecht insoweit in einer recht komfortablen Situation: Nach § 631 BGB ist er zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Vereinbart wird sie mit Abschluss des Vertrages. Danach ist bei unveränderter Leistung eine Änderung der Vergütung nur noch mit seiner Zustimmung möglich. Einzige Ausnahme ist die Störung der Geschäftsgrundlage, geregelt in § 313 BGB. Nach dessen Wortlaut kann der Auftragnehmer eine Vertragsanpassung verlangen, wenn sich die „Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert (haben), … das sich aus dem Umstand ergebende Risiko nicht der Partei zuzurechnen ist, die sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage beruft und … die Parteien den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen (hätten), wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, … soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Die Hürden für einen Anpassungsanspruch des Auftragnehmers liegen also sehr hoch. Nur schwerwiegende, nicht vorhersehbare Preisentwicklungen können eine Anpassung rechtfertigen. Und sie können sie auch nur dann rechtfertigen, wenn eine „Gesamtschau“ des Vertrages ergibt, dass dem Unternehmer ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar ist. Dies kann beispielsweise dazu führen, dass eine Stahlpreiserhöhung in einem Fall einen Anpassungsanspruch rechtfertigt, weil die Auswirkungen der Preiserhöhung dem Unternehmer nicht zumutbar sind, im anderen Fall aber die Stahlpreiserhöhung sich nur unwesentlich auf den Gesamtpreis auswirkt und die Auswirkungen deshalb nicht die Schwelle der Unzumutbarkeit erreichen.

Die Rechtsprechung sieht die Anspruchsgrundlage des Wegfalls der Geschäftsgrundlage jedenfalls nur in den seltensten Fällen, etwa im Falle eines Währungsverfalls gegeben. Es wäre zu begrüßen, wenn die übergroße Zurückhaltung gelockert und das Risiko eklatanter, nicht vorhersehbarer Kostensteigerungen im Wege der Vertragsanpassung auf die Schultern beider Vertragsparteien gelegt würde. Sonst bleibt dem Auftragnehmer nur, diese Risiken von vorneherein einzupreisen, was zu Lasten der Auftraggeber zwangsläufig zu deutlich höheren Angeboten führen müsste.

Anders liegen die Dinge, wenn es nicht um die Ausführung der ursprünglich beauftragten Leistungen sondern um Vertragsänderungen, d. h. geänderte oder zusätzliche Leistungen, geht: Für diese bestimmt das Gesetz in § 650c BGB, dass der Vergütungsanspruch für den vermehrten oder verminderten Aufwand „nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen zu ermitteln ist“. Ist der Materialpreis im Zeitpunkt der Änderungsanordnung mithin höher als bei Vertragsschluss, ist dieser höhere Preis zu vergüten.

Weniger klar ist bis heute allerdings die Lage bei Bauverträgen, für die die Geltung der VOB/B vereinbart ist – dies sind sämtliche Verträge, bei denen der Auftraggeber die öffentliche Hand ist. Dies sind beispielsweise alle Infrastrukturmaßnahmen, wie der Straßen- oder auch der Bahnbau, aber auch alle kommunalen Bauvorhaben. Daneben wird die VOB/B regelmäßig auch bei allen privaten Großbauvorhaben vereinbart.Während früher für VOB-Verträge allgemein davon ausgegangen wurde, dass in den Fällen einer geänderten oder zusätzlichen Leistung gemäß § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B der Vertragspreis fortzuschreiben sei, mehren sich seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08.08.2019 (VII ZR 34/18) Stimmen, dass geänderte und zusätzliche Leistungen auch bei Geltung der VOB/B dann, wenn die Parteien keine Einigung über die hierfür zu leistenden Vergütung treffen, auf Basis der tatsächlich erforderlichen Kosten zu vergüten seien.

Dies hat der Bundesgerichtshof im genannten Urteil für Mengenmehrungen gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B, d. h. für die Fälle entschieden, in denen die erbrachte und abgerechnete Menge von der vereinbarten Menge um mehr als 10 % abweicht. Die Folge ist, dass der Unternehmer an einen von ihm unterkalkulierten Preis nicht gebunden ist, sondern die Preissteigerungen an den Auftraggeber ab 110 % der erbrachten Mengen durchstellen kann.

Zwischenzeitlich liegt dem Bundesgerichtshof ein Fall des OLG Köln, von diesem entschieden mit Urteil vom 03.02.2021 (11 U 136/18), zur Revision vor. Das OLG Köln ermittelt auch die Vergütung für geänderte oder zusätzliche Leistungen nach den tatsächlich erforderlichen Kosten. Bestätigt der BGH das Urteil des OLG Köln, so werden Preiserhöhungen zukünftig in den weitesten Fällen auf den Auftraggeber durchschlagen.

Will man als Unternehmer das jedenfalls bis dahin bestehende Risiko steigender Preise nicht (allein) tragen oder als Besteller vermeiden, dass Leistungsänderungen zu unwägbaren Kostensteigerungen führen, bietet es sich an, eine vertragliche Regelung in Form einer sog. Preisanpassungs- oder -gleitklausel zu treffen. Preisgleitklauseln sehen in aller Regel vor, dass die Parteien bei einer bestimmten Preisverschiebung eine Anpassung vornehmen müssen. In der Praxis wird regelmäßig eine Bezugsgröße vereinbart (entweder ein bestimmter allgemeiner Index oder der konkrete Vertragspreis) und es wird festgehalten, dass der Preis kein Festpreis mehr ist, wenn sich die Bezugsgröße um x % (frei zu vereinbaren, regelmäßig größer 20%) verändert. Der Auftragnehmer darf in diesem Fall den gestiegenen Preis geltend machen, wenn er die ihm entstehenden, erhöhten Kosten nachweist.

Bei der Vereinbarung von Preisgleitklauseln ist Vorsicht geboten: Da es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, wenn sie mehrfach verwendet wird oder werden soll, aber auch schon dann, wenn sie sich zur Mehrfachverwendung eignet, sind Wirksamkeitsanforderungen gemäß § 307 BGB zu beachten. Die Klausel darf den Vertragspartner des Klauselverwenders deshalb nicht unangemessen benachteiligen, was sich schon daraus ergeben kann, dass sie nicht klar verständlich ist. Außerdem ist eine Festlegung der von der Preisanpassung betroffenen Leistungsteile erforderlich.

Rechtsanwältin Dr. Birgit Franz
Rechtsanwältin Manuela Stadel

Haben Sie Fragen zu diesem Beitrag oder generell zu unseren Rechtsgebieten? Sprechen Sie uns gerne an:

Alexander Hofmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und ArchitektenrechtMarcel Manz, LL.B., Rechtsanwalt